Ein Segeltörn mit Hand, Herz und Verstand

Veröffentlicht am: 4. Juni 2015

„Wir sind als zusammengewürfelte Gruppe losgefahren und als zusammengeschweißtes Team wieder von Bord gegangen“, resümiert Maike Büsching. Die Sozialpädagogin ist auf der „Verandering“ mitgesegelt. Ein Drei-Tages-Törn, der es nicht nur wegen des rauen Wetters in sich hatte.

Nach Wangerooge und zurück auf engstem Raum
„Das war toll“, bestätigt Tobias Hartmann. „Besonders das Gefühl, im Team zu sein, hat mir gefallen.“ Der 19-Jährige gehört zu den fünf Jugendlichen, die für drei Tage die Segel setzen durften. Mit dabei waren außer Tobias Hartmann außerdem Kevin Lange, Maurice Ehrhard, Moutar Diallo und David Seipelt. Ende Mai stiegen sie in Bremerhaven auf das Schiff und hoben den Anker. Im Hafen von Hooksiel verbrachten sie die darauffolgende Nacht, um von dort nach Wangerooge zu segeln und am nächsten Tag wieder zurück.

„Das war eine ereignisreiche Zeit“, sagt Raimund Diener. „Wir waren auf engem Raum zusammen, niemand konnte weglaufen und wir mussten lernen, uns aufeinander zu verlassen.“ Diener ist Ausbilder beim ibs und war gemeinsam mit Maike Büsching und Jens Schweyer als Betreuer mit von der Partie.

Krisen bewältigt und daran gewachsen
Mit Sturm, Hagel und Regen hatte Seekrankheit sie zunächst alle fest im Griff, da half nur, sich an der frischen Luft an Deck aufzuhalten und mit den Augen den Horizont zu fixieren. Die ersten Stunden ohne Strom und ohne Netz schienen für die smartphonesüchtigen jungen Leute zur Krise zu werden. „Ich dachte, die würden alle im nächsten Hafen von Bord gehen“, beschreibt Büsching ihre Befürchtungen. „Aber da lag ich erstaunlicherweise völlig falsch“, erinnert sich die 41-Jährige und lacht. „Sie haben Kniffel gespielt und sogar Lieder gesungen!“

Die Krise kam schließlich aus einer eher unerwarteten Richtung: Heimweh. „Ich habe meine Familie plötzlich schrecklich vermisst“, gibt Hartmann freimütig zu, „es war das erste Mal in meinem Leben, dass wir getrennt waren.“ Mit gutem Zureden und damit, dass er sich mutig entschlossen hat, seinem Team und der Crew an Bord zu vertrauen, ging die Reise doch weiter. „Ein großer Schritt zur Selbstständigkeit für Tobias“, meint Diener, „und ein wichtiger Entwicklungsschritt.“

Die Highlights waren eine heiße Dusche und das Meer
Höhepunkte gab es gleich mehrere. „Wir durften die Segel setzen und beim Einlaufen in den Hafen die Fender hinaushängen, erzählt Hartmann stolz. Doch das Beste sei die Dusche am zweiten Abend im Hafen von Wangerooge gewesen. „Ich hätte nie gedacht, dass eine heiße Dusche so gut tun kann.“ Danach waren die Lebensgeister wieder so erfrischt, um am Strand einige Mädchen kennenzulernen.

Für die Erwachsenen waren die Highlights zum einen die Erleichterung darüber, dass alles so super geklappt habe und zum anderen das Naturerlebnis. „Von den Wellen und dem Wind derart abhängig zu sein, hat mich sehr beeindruckt“, sagt Diener. Ein doppelter Regenbogen am Himmel hat bei dem 57-Jährigen ebenso für Furore gesorgt.

Gemeinschaftsgefühl wie von selbst
Noch eine letzte Nacht schliefen sie in den Kojen im Heimathafen Bremerhaven, um dann am nächsten Morgen das Schiff klarzumachen und auszuräumen. „Ohne uns abzusprechen, haben wir uns in eine Kette gestellt und Taschen und Kisten von Hand zu Hand gegeben,“ beschreibt Hartmann den beeindruckenden Gemeinschaftssinn, „und ruckzuck war das Schiff leer.“

„Die Jungs waren super“, lobt Diener. „Ich glaube“, sagt der 57-Jährige und in seiner Stimme ist noch immer Begeisterung, „in Gedanken sind alle noch auf dem Schiff.“

Vor dem Vergnügen war die Arbeit: Ein Berufsprojekt Farbe
Den Segeltörn haben die Jugendlichen geschenkt bekommen als Dankeschön für ihren tatkräftigen Einsatz zur Instandhaltung der „Verandering“. Das Segelboot gehört einer gemeinnützigen Stiftung der Bremischen Evangelischen Kirche und ist auf Spenden und ehrenamtliche Mitarbeit angewiesen. Die Jugendlichen haben alte Farbreste vom Stahlgehäuse des Schiffsrumpfs geschliffen und neue Farbe aufgetragen. „Das war Spezialfarbe, damit das Salzwasser nicht alles gleich wieder kaputtrostet“, erläutert Hartmann.

Das mehrmonatige Projekt aus dem Berufsfeld Farbe ist Teil der „berufsvorbereitenden Maßnahme für Rehabilitanden“ im ibs gewesen und dient der Berufsorientierung. Die Jugendlichen werden von der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven finanziert und damit unterstützt mit dem Ziel, eine Berufswahl zu treffen und im Idealfall darin auch einen Ausbildungsplatz im Wunschberuf zu finden.

Das Beste zum Schluss: ein Segeldiplom
Initiator des ibs-Projekts mit den Jugendlichen und informelles Bindeglied zur „Verandering“ ist Hannes Kraus. Er ist sowohl ehrenamtliches Crew-Mitglied, als auch Mathelehrer am ibs. Schon während des Törns vermittelte er Wissenswertes über das Schiff und das Segeln, was für das noch bevorstehende Segeldiplom bald abgefragt wird.

Danke!
Das ibs dankt der „Verandering“-Crew, insbesondere dem Skipper, Jürgen Tschernitz.

 

 

Copyright © Mai 2015 ibs Institut für Berufs- und Sozialpädagogik e.V. Verfasserin: S. Höstermann, Fotos: T. Hartmann.